Das neue Kindergartenjahr stand an und da war sie wieder diese allumfassende Angst.
Martin würde nun seine ehemalige Gruppenleiterin als Integrationspädagogin bekommen und Miro jemanden, den wir noch gar nicht kannten. Für uns als Eltern bedeutete dies große Sorgen, wie würden
unsere beiden Burschen diese Umstellung verkraften, da sie doch ohnehin mit Veränderungen große Schwierigkeiten hatten. Würden die neuen Integrationspädagoginnen ihre Bedürfnisse richtig
verstehen und deuten können und vor allem auch, würden sie die Körpersprache unserer Zwillinge richtig einordnen können und rechtzeitig reagieren und allem voran, würden sie schnell genug
reagieren, wenn Miro oder Martin losliefen. Denn bereits im Sommersemester des vorigen Kindergartenjahres, hatte Martin immer wieder versucht wegzulaufen, teilweise täglich. Allerdings waren
Martin und seine damalige Integrationspädagogin ein gutes Team gewesen und sie war schon anhand seines Blickes und seiner Körpersprache in Alarmbereitschaft – denn tatsächlich sah man es unserem
kleinen Martin an, dass er im Begriff war loszurennen.
Wie also würde es jetzt sein? Klar, über den Sommer war entwicklungstechnisch unglaublich viel passiert, aber gerade deshalb galt es, die Beiden weder zu unter- noch zu überschätzen. Diese
Gedanken achten es schwer, das letzte Ferienwochenende zu genießen. Immer und immer wieder tauchten diese Gedankengänge auf und ich musste mich wirklich konzentrieren, um diese nicht zu weit
gehen zu lassen, um nicht in eine Angststarre zu verfallen, mit der, ich uns allen den Start ins neue Kindergartenjahr nur erschweren würde.
Doch für dieses letzte Ferienwochenende stand noch ein großer Ausflug an, vor allem für Martin. Denn Bianca (Martins ehemalige Integrationspädagogin) und ihr Mann hatten eine Privatführung bei
der Feuerwehr organisiert – für unseren kleinen Martin ging damit ein Herzenswunsch in Erfüllung. Denn neben der Musik, war die Feuerwehr das Größte für ihn.
Am 4. September 2022, machten wir uns also auf den Weg zu meinen Eltern, wo ein Familienessen anstand. Für unsere beiden Buben, ein wichtiges Ritual. Jozefina, Miro und Martin hatten die größte
Freude. Sie freuten sich auf alle, doch vor allem auf ihre beiden Cousins. Unser Martin freute sich wohl am allermeisten auf seine Tante Susi, denn er wusste, mit ihr durfte er ganz viele
Quatsch-Fotos auf Snapchat machen. Er liebte es wie sich sein Gesicht veränderte und komische Sachen machte. Und Tante Susi kannte die lustigsten Grimassen-Bilder. Für Martin war das immer das
Schönste an den Familientreffen. Nach drei Stunden beschlossen wir aber, wieder nach Hause zu fahren, damit die Jungs noch etwas zur Ruhe kommen konnten, bevor es schließlich zum großen Highlight
weiterging, der Feuerwehr.
Papa war mit Jozefina im Wohnzimmer und ich wollte noch schnell die Wäsche sortieren. In diesen zwei Minuten, flitzte Martin immer wieder zwischen dem Kinderzimmer und mir herum. Während er
wieder seine Kreise zog, nahm ich plötzlich einen angenehmen Geruch wahr, er kam mir bekannt vor, aber ich konnte ihn nicht wirklich einordnen. Ich wollte Martins Hand schnappen um ihn zu mir zu
holen, doch ich rutschte von seiner glitschigen Hand ab und in der Sekunde schwante mir bereits Böses. Also sprang ich auf und im hinterher, in sein Zimmer. Auf den ersten Blick, konnte ich
nichts ausmachen, außer Spielzeug Autos. Plötzlich stand Miro neben mir, der übrigens auch ganz fantastisch roch und als ich ihn ansah, und den dicken Film auf seinem Gesicht, seinen Haaren und
Händen sah, wusste ich auch, woher ich den Duft kannte. Es war meine Melem-Salbe, herrlich duftend mit der Konsistenz von Vaseline.
Wie genau sie es geschafft hatten, an die Salbe heranzukommen, kann ich bis heue nicht sagen. Mein Mann war in der Zwischenzeit auch zu uns gestoßen und während ich ihm Miro zum sauber machen
übergab, kümmerte ich mich um Martin. Gut, dachte ich mir schmunzelnd, riechen die Jungs, wenigstens mal so richtig gut. Als ich mich dann auf die Suche nach der Salben-Dose begab und Richtung
Bett ging (das Lieblingsversteck für alles), landete ich, nach wohl eineinhalb Metern sehr unsanft am Boden, denn richtig, Miro und Martin hatten mit der Salbe den Boden wischen wollen und nicht
nur das, auch Heizkörper, Wand und die Spielzeugautos hatten sie in ein Duftparadies verwandelt. Also rief ich auch wieder den Papa ins Zimmer um das Chaos zu beseitigen. Doch während er zu mir
ins Zimmer kam, sprang Miro schon auf den Tisch und Martin kletterte auf den Kuchenkasten. Also beschlossen wir, doch lieber bei der Arbeitsteilung zu bleiben.
Nach einer Stunde Zimmer und Spielzeug putzen, blieb gerade noch ausreichend Zeit, um mich selbst umzuziehen, um nicht klebrig zur Feuerwehr zu müssen. Also leicht gestresst und genervt, ab ins
Auto. Kaum waren wir losgefahren, mussten wir auch schon wieder umdrehen. Denn natürlich hatten wir die Kopfhörer im Haus vergessen. Während der Mann also das Auto wendete, begann die Schreierei
im Auto, von außen musste es sich wohl anhören, als würden wir die Kinder bei lebendigem Leibe häuten. Tatsächlich kamen Miro und Martin aber nicht damit klar, dass wir den gleichen Weg
zurückfuhren. Für sie war es unerträglich einen Weg auf die gleiche Weise zurück zu fahren (oder zu gehen) wie wir ihn gekommen waren. Obendrein, war es definitiv nicht der Weg zur Feuerwehr,
aber leider verstanden sie zu dem Zeitpunkt, die Erklärung, dass wir nur die Kopfhörer holen müssten, nicht. Erst als wir fast bei der Feuerwehr ankamen, beruhigten sie sich. Jozefina hatte die
ganze Fahrt über verzweifelt versucht, ihnen die Situation zu erklären, doch erfolglos und auch ihr merkte man an, welche Anspannung von ihr abfiel, als wir endlich bei der Feuerwehr ankamen. In
solchen Momenten, war es fast schon unverstellbar, dass nur ein Jahr Altersunterschied, zwischen Jozefina und ihren Brüdern lag.
Die Führung durch das Feuerwehrhaus und die Begehung der Fahrzeuge, war für alle unsere Kinder interessant und ein tolles Erlebnis, aber unser Martin lebte richtig auf. Alles musste ganz genau
inspiziert werden, überall mussten wir hinein und vor allem auch hinaufklettern. Für mich ein schwieriges Unterfangen, da ich eine sehr ausgeprägte Höhenangst habe, die von extremem
Schwindelgefühl begleitet ist. Ich hatte immer die große Angst, einfach umzukippen, mit Martin an der Hand. Aber wie so oft in unserem Leben, hieß es auch hier, Augen zu und durch. Mein Mann
übernahm dann gnädiger Weise die Begehung des Kranfahrzeugs (ich weiß nicht, wie es richtig heißt), da ohnehin immer nur ein Kind auf einmal rauf konnte. Dazwischen durften die Kinder die
Ausrüstung begutachten und probieren und unser kleiner Martin strahlte einen irrsinnigen Stolz aus. Abschließend setzten wir den Kindern wieder die Kopfhörer auf, denn als krönenden Abschluss,
wurde die Sirene und das Blaulicht eines Einsatzfahrzeuges eingeschaltet. Heute noch sehe ich meinen Martin wie er auf Papas Armen thront und dabei mit seinen Armen, offenem Mund und strahlenden
Augen flattert, als würde er wirklich jeden Moment abheben. Er war so unglaublich glücklich, denn er wollte Feuerwehrmann werden und nun hatte er sich alles vor Ort, ganz genau ansehen können,
für ihn bedeutete das die Welt.
Obwohl der Tag für unsere Helden wunderschön war, war ich wirklich glücklich als er langsam dem Ende zu ging. Es war wohl auch definitiv zu viel auf einmal gewesen, denn beide Jungs verweigerten
an diesem Abend feste Nahrung, wie so oft, wenn sie überfordert waren. Also verlangten sie im halben-Stunden-Takt nach ihrer Milchflasche. Als sie endlich einschliefen, machte ich dann
schließlich auch noch die Wäsche fertig, die bereits sieben Stunden wartete und bereitete alles für den nächsten Tag vor, der in spätestens einer Stunde beginnen würde. Als ich schließlich selbst
zu ihnen ins Bett kroch, blieb mir noch etwa eine dreiviertel Stunde zum Schlafen, doch kaum hatte ich mich ins Bett gelegt, ging das Gedankenkarussell um den ersten Kindergartentag, am nächsten
Morgen wieder los. Als ich dann schließlich bereit war einzuschlafen, kam Martin schon zu mir gekrochen und begann zu singen: „Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen Sonnenschein…“ Und so
starteten wir unsere Nachtroutine und unsere Übungen, bevor es in achteinhalb Stunden in den Kindergarten gehen sollte.
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